Sven Regener (Musiker) zur Debatte um das Urheberrecht in der Radiosendung Zündfunk:

Zündfunk Interview: Sven Regener

Urheberrecht und Piraten

Oktober 21, 2011

Seit das illegale Kopieren und Herunterladen von Musik einen kritischen Wert erreicht zu haben scheint, wird im Internet über die Legitimität und Ausgestaltung des copyright diskutiert. Die in Deutschland als Urheberrechtsstreit geführte Debatte wird durch den Erfolg der Piratenpartei in Berlin sehr konkret.

Naheliegenderweise verteilen sich die Diskussionsteilnehmer auf zwei Lager: diejenigen, die für die Legalisierung der nichtkommerziellen Verteilung sind, und diejenigen, die die geltenden Bestimmungen des Kopierschutzes beibehalten wollen. Ausgangspunkt der Piratenpartei, als Vertreter der ersten Gruppe, ist das Ideal einer freien Informationsgesellschaft, in der Bildung und Kultur für jeden kostenlos zugänglich sein soll, der über einen Internetzugang verfügt. Ausgangspunkt der zweiten Gruppe, die vor allem aus Künstlern besteht, ist die Sorge, von ihrer Kunst nicht mehr leben zu können, wenn die Kopien ihrer Werke kostenlos zur Verfügung stehen.

Dieses sehr pragmatische Argument ist von den Piraten aufgenommen worden und zur Zeit kursieren verschiedene Lösungsansätze. Der erste besagt, dass Einkommen nicht mehr über das Werk selbst erzielt wird, sondern über Merchandise, Auftritte, Werbung, bzw. Werbeverträge. Unabhängig davon, ob dieser sehr konsumentenorientierte Ansatz funktioniere, vergisst er doch etwas Wesentliches: ein Schriftsteller ist kein T-shirt-Verkäufer, Entertainer oder Schauspieler, sondern Schriftsteller; gleiches gilt für Musiker, Maler und die anderen Künstler. Künstler zu sein, hat in unserer Gesellschaft den Status eines ordentlichen Berufs. Er produziert etwas, hier das Werk, und bietet dieses Produkt dem Markt an. Das Werk im monetären Sinn zu entwerten und den Künstler auf den Verkauf von Fan-Artikeln zu verweisen, bedeutet, Schriftstellern, Musikern, Malen u.a. den Status des Berufs abzuerkennen. Außerdem kann ein Schriftsteller jede Minute, die er investieren muss, um Artikel zu verkaufen, aufzutreten oder für irgendein anderes Produkt zu werben, nicht nutzen, um zu schreiben. Kurz gefasst: wer sein Buch nicht verkaufen kann, kann auch nicht Schriftsteller sein.

Der zweite Vorschlag ist sehr eng an den ersten gekoppelt, ich behandele ihn aber vorzugsweise separat. Es ist der Vorschlag, den Künstler durch Spenden zu finanzieren. Dazu führte Stephen King den Versuch, den Roman „Plant“ kapitelweise zu veröffentlichen, wenn jeweils ein bestimmter Spendensatz zusammenkäme. Der Versuch scheiterte, da die Zahl derer, die spendeten stetig sank (siehe http://www.wired.com/culture/lifestyle/news/2000/11/40356). Die Frage stellt sich, wie es einem weniger bekannten Schriftsteller erginge. Aber selbst, wenn dieses Modell funktionierte, greift dasselbe Argument im Punkt zuvor: wer auf Spenden angewiesen ist, übt keinen Beruf aus. Und während die Verlage trotz mainstream auf eine Mischkalkulation setzen, wäre der Künstler im Spendenmodell vollkommen von den Wünschen der Konsumentenmenge abhängig. Das Internet ist zudem so schnelllebig, dass Künstler, die nicht ständig Gehalt nachliefern, schnell vergessen oder von der Menge, der im Netz sich bewegenden Amateuren, vergessen werden. Was im Mittelalter der Mäzen war, wäre heute die net-community. Das scheint mir nicht erstrebenswert zu sein.

Die Vorschläge drei und vier sind spannender. Sie versuchen, die Finanzierung der Künstler in eine größere gesellschaftliche Veränderung einzubinden. Respektive handelt es sich bei ihnen um die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) und der Kulturflatrate. Beide Ansätze haben ihre pragmatischen und ideellen Probleme, verdienen aber eine besondere und gesonderte Auseinandersetzung, sodass ich sie an dieser Stelle lediglich erwähnen will.

Trotz meiner Abneigung gegenüber den ersten beiden Vorschlägen, finde ich die Idee einer freien Informationsgesellschaft durchaus reizvoll. Von vielen kostenlosen Angeboten profitiere ich bereits; ich nutze Wikipedia und freie Software wie Open Office, ich höre Musik auf youtube oder myspace oder lese die Inhalte diverser blogs – alles unentgeltlich – und ich hoffe, mit diesem blog einen kleinen Teil zurückgeben zu können. Nichtsdestoweniger kaufe ich CDs, Programme und Bücher. Der Vorteil des momentanen Urheberrechts ist der, dass ein Künstler entscheiden kann, ob er seinen Roman, beispielsweise, an einen Verlag verkauft, oder kostenlos ins Netz stellt. Die Idee des legalen, ausschließlich nichtkommerziellen Kopierens streicht die erste Option durch, reduziert also den Künstler in seinen Möglichkeiten.

Zwischen den Extrempositionen gibt es aber vielleicht doch ein mittleres Feld. Alternative Lizenzmodelle, wie Creative Commons, gestatten es, bei der Freistellung eines Werkes selbst zu bestimmen, welche Rechte beim Urheber verbleiben und welche er freigibt.

Es ist eine spannende Debatte, aber eine, in der man sich vor zu einfachen Lösungen hüten muss.

Das Programm der Piratenpartei bezüglich des Urheberrechts findet man hier: http://www.piratenpartei.de/navigation/politik/urheberrecht-und-nicht-kommerzielle-vervielfaeltigung

Die Creative Commons hier: http://de.creativecommons.org/was-ist-cc/

Ein Hinweis: diesen Artikel habe ich ursprünglich für mein blog ‚Schreiben über Schreiben‘ verfasst, der unter dieser Adresse zu finden ist: http://dnesser.wordpress.com